Tarifmodell-Logik

Die Ausgestaltung des Tarifmodells ist für einen Wasserversorger relevanter, als man zunächst glauben mag. Im Folgenden wird die zugrunde liegende Logik näher dargestellt. Es empfiehlt sich, die Fragen und Antworten der Reihe nach zu lesen…
1. Weshalb ist der demografische Wandel für Wasserversorger besonders problematisch?
Geburtenrückgänge und Wanderungsbewegungen führen in vielen Regionen Deutschlands zu teilweise erheblichen Bevölkerungsrückgängen. Dies hat für viele Infrastrukturbereiche schwerwiegende Folgen: Bestehende Einrichtungen werden immer weniger genutzt, sodass anfallende Kosten auf eine immer geringere Nutzerzahl umgelegt werden müssen.

Diese Entwicklung und ihre Folgen sind mittlerweile in der Gesellschaft weitgehend akzeptiert. Uneinigkeit herrscht allenfalls noch in Bezug auf das Maß der Betroffenheit, dem daraus resultierenden Handlungsbedarf sowie den richtigen Lösungsansätzen.

Wasserversorger sind von diesem Problem doppelt betroffen: Einerseits sinkt die Einwohnerzahl und damit einhergehend die strukturelle Nachfrage nach Wasser. Andererseits geht aber auch der spezifische Wasserverbrauch (Nachfrage pro Kopf bzw. verbrauchender Gewerbeeinheit) zurück – ein Problem, das ebenfalls Regionen mit Bevölkerungszuwachs betrifft!
2. Was ist unter dem Begriff Fixkostenfalle zu verstehen?
Wassersparen ist aus unterschiedlichen Gründen fest im Verbrauchsverhalten der Bundesbürger verankert. Dies hat Folgen für die Auslastung von Wasserwerken und Rohrnetzen. Während die Absatzmengen sinken, bleiben die Vorhaltekosten der Wasserversorgung jedoch weitgehend konstant.

Je nach Art der Berechnung sind bis zu 80 % der Kosten unveränderbar und hängen nicht von der verbrauchten Menge ab. Diese fixen Kosten bilden einen Großteil der Gesamtkosten und müssen auf eine weiter sinkende Absatzmenge umgelegt werden. In diesem Zusammenhang wird häufig von der Fixkostenfalle gesprochen.
3. Welche Auswirkungen haben Preissteigerungen auf die Nachfrage?
Sollen Lücken bei der Kostendeckung oder Leistungseinschränkungen auf Seiten des Wasserversorgers vermieden werden, sind Preissteigerungen unvermeidbar. Diese führen jedoch dazu, dass Nutzergruppen mit Substitutionsmöglichkeiten ihren Verbrauch weiter reduzieren. Damit werden ein Sparkreislauf auf Nachfragerseite und eine Preisspirale auf Anbieterseite in Gang gesetzt – und beide verstärken sich gegenseitig.
4. Wer sind die Verlierer höherer (Mengen-) Preise?
Höhere (Mengen-) Preise belasten besonders solche Kundengruppen, die ihr Nutzungsverhalten kaum oder gar nicht beeinflussen können (z. B. Familien) oder solche, die keine Substitutionsmöglichkeiten wie Eigenversorgung oder Kreislaufführung haben (insbesondere Mieter in Mehrfamilienhäusern).

Diese Kunden und deren Wasserversorger müssen gemeinsam ein vitales Interesse daran haben, die Fixkostenlast durch einen angemessenen Anteil mengenunabhängiger Tarifbestandteile zu decken. Andernfalls werden diese, eigentlich zu schützenden Kundengruppen, letztlich die hohen Fixkosten finanzieren müssen.
5. Inwiefern hilft eine Tarifmodell-Umstellung bei der Lösung des Problems?
Eine Tarifmodell-Umstellung stellt das aktuelle Tarif-Gefüge auf den Kopf! Ziel ist eine signifikante Erhöhung der Grundpreisanteile an den Gesamteinnahmen auf ca. 50 % – ein Wert, von dem viele Wasserversorger sehr weit entfernt sind. Aber nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Erlöse stabiler werden und auf Nachfragerückgänge nicht regelmäßig mit einer Preiserhöhung reagiert werden muss. Denn steigende Preise führen, wie oben beschrieben, zu weiterem Wassersparen der Kunden – eine unliebsame Preisspirale kommt in Gang.

Eine Tarifmodell-Umstellung bedeutet weit mehr, als bei einer notwendigen Preiserhöhung lediglich die Grundpreise zu verändern: der Mengenpreis wird erheblich gesenkt, während die Grundpreise deutlich erhöht werden. Und dabei lässt sich das sinnvolle Ziel einer Umsatzneutralität durchaus erreichen.
6. Worin sollte vor obigem Hintergrund das oberste Ziel eines Wasserversorgers bestehen?
Das oberste Ziel eines Wasserversorgers sollte vor dem Hintergrund obiger Ausführungen darin bestehen, dem Dilemma „Preisspirale vs. Kostendeckungslücke“ zu entgehen. Grundlegende Änderungen der Tarifstruktur sind notwendig, die zum Zeitpunkt der Umstellung aber als Nebenbedingung keine zu starken Verwerfungen hervorrufen dürfen.

Steigerungen bei den Haushaltsbelastungen im Umstellungszeitpunkt sind weitest möglich zu vermeiden. Die unten angegebene Literatur zeigt, dass dies tatsächlich möglich ist. Im „Praxisleitfaden Wasserpreismodelle“ etwa werden die verschiedenen Herangehensweisen deutscher Wasserversorger erklärt.
7. Werden Tarifmodell-Umstellungen in der deutschen Wasserwirtschaft überhaupt diskutiert?
Absolut! Eine jüngst erschiene Umfrage zeigt, dass dieses Thema mittlerweile in der Wasserwirtschaft angekommen ist (Burs et. al [2014], s. Literatur-Angaben). Hiernach sehen 69 % der befragten Unternehmen eine Umstellung als notwendig oder sehr notwendig an.
8. Wie gestaltet sich die Situation für wachsende Kommunen?
Wasserversorger, die den spezifischen Wasserrückgang ihrer Bestandskunden durch Zuzug kompensieren können, fahren mit einem Modell aus niedrigem Grund- und hohem Arbeitspreis nicht unbedingt gut. Auch hier lohnt es sich für den individuellen Bestandskunden, seine Nachfrage einzuschränken. Daneben weisen Neukunden ein relativ niedrigeres Wassernachfrage-Niveau auf. Neu gebaute Einfamilienhäuser etwa sind häufig mit Anlagen zur Regenwassernutzung und wassersparenden Armaturen ausgestattet.

Somit stellt sich die berechtigte Frage, ob neu gebaute im Vergleich zu 30 Jahre alten Einfamilienhäusern nicht zu wenig für die Vorhalteleistung der Wasserversorgung bezahlen. Bei ausreichendem Wasserdargebot wäre es im Sinne der Allgemeinheit, wenn eine zunehmende Bevölkerung bei konstanter Pro-Kopf-Nachfrage für steigende Erlöse sorgen würde. Der Wasserversorger könnte so die Preise/Gebühren senken oder gar Investitionen ohne Entgelterhöhung durchführen!
9. Wie können Sie die Situation für Ihr Versorgungsgebiet überprüfen?
Was bedeutet dies nun für Sie als Wasserversorger? Wir laden Sie ein, auf der Seite Tarifmodell-Check zu überprüfen, ob und wie dringend eine Tarifmodellumstellung für Ihr Versorgungsgebiet angedacht werden sollte.
10. Welche Unterstützung kann Ihnen MOcons bieten?
Eine Tarifmodellumstellung ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Für größere Wasserversorger hat MOcons bei der Begleitung von Tarifmodellumstellungen in mittlerweile mehr als 40 Versorgungsgebieten eine zielführende Herangehensweise entwickelt. Davon können auch Sie profitieren!

Für kleine Wasserversorger bedarf es einer anderen Herangehensweise, die die eingeschränkten finanziellen und personellen Kapazitäten berücksichtigt. Gerne unterstützen wir Sie mithilfe eines speziell konzipierten Prozesses!

Auf der Seite Tarifmodell-Umstellung erläutern wir, wie Sie von unserem Know-how im Rahmen Ihrer Tarifmodellumstellung profitieren können.
Weiterführende Literatur: